„Wir möchten die Künstlerin für ihre unkonventionellen Werke würdigen, für die sie sich alltäglicher Gegenstände und Situationen bedient, diese aber aus ihrem ursprünglichen Gebrauch herauslöst, sie umdeutet und in ungewöhnliche Zusammenhänge stellt“, erläuterte Dr. Barbara Rüschoff-Thale, LWL-Kulturdezernentin und Vorsitzende des Kuratoriums der Cremer-Stiftung, bei der Verleihung am Montag (21.9.) in Münster. Objekte, Begriffe und Abläufe würden von Kirsten Pieroth neu geordnet, umgebildet und zu persönlichen Sinnverbindungen zusammengefügt. Durch diese unerwarteten Erfindungen und Inszenierungen führe sie den Betrachter in eine andere Ebene des Wahrnehmens und Bewertens.
Der Preis wird alle zwei bis vier Jahre an einen jungen Künstler vergeben und zusätzlich der Ankauf eines Werkes ermöglicht, sowie die Förderung eines Katalogprojekts und einer Studioausstellung im LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Münster. Aufgrund der beengten räumlichen Verhältnisse durch den Um- und Neubau des Museums fand sich in diesem Jahr leider kein geeigneter Raum für eine Studio-Ausstellung. „Ich freue mich jedoch, dass Kirsten Pieroth die Performance 'inflated dinghy' im historischen Treppenhaus des Museums aufgebaut hat, von der das Requisit eines Schlauchboots und ein Film weiterhin für einige Wochen zu sehen sein werden“, so Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold. Der mit dem Preis verbundene Ankauf werde im nächsten Jahr vorgestellt.
Schon bevor sie für diesen Preis ausgewählt wurde, war der Künstlerin Pieroth die Sammlung Cremer ein Begriff. Im Jahre 2004 nahm sie mit zwei Arbeiten an der Ausstellung „cremers haufen. alltag, prozesse, handlungen: kunst der
60er jahre und heute“ teil, in der die Sammlung Cremer zusammen mit heutiger Kunst im Landesmuseum vorgestellt wurde. Unter dem Titel „Die Farbe der Meere“ trug sie aus vier Plastikflaschen Wasserproben aus dem Roten Meer, dem Weißen Meer, dem Schwarzen Meer und dem Gelben Meer zusammen. Die zweite Arbeit hieß „Postkarten aus Berlin“ und war eine Aktion, bei der die Künstlerin sich Postkarten aus anderen Orten zuschicken ließ, die sie an ihr unbekannte Adressaten in diesen Orten geschickt hatte.
Hintergrund:
Vergeben wird die Auszeichnung an junge Künstler, die im Geist von Fluxus und Nouveaux Réalistes arbeiten. Der Begriff „Fluxus“ wird mit Veranstaltungen wie Musik, Theater und Konzeptkunst der 1960er und 1970er Jahre in Verbindung gebracht, die nicht selten etwas Chaotisches hatten. Unter „Nouveau Réalisme“ versteht man vor allem Plakatflächen mit abgerissenen Plakaten – sogenannte Décollagen. Es sind also Werke, die das Konzept des Meisterwerks und des abgeschlossenen Objekts nachdrücklich in Frage stellen. Die Botschaft dieser Arbeiten ist, dass Kunst nicht aus einem materiellen Objekt, sondern aus Ideen, aus Handlungen und aus Vorgängen besteht.
Die Jury setzt sich zusammen aus Susanne Titz (Direktorin des Museums Abteiberg, Mönchengladbach), der Künstlerin Haegue Yang sowie je einem Vertreter der Stifterfamilie, des LWL und des Westfälischen Kunstvereins.