Auswanderer für ein paar Stunden
13. Top Ten der Buchmesse in der Buchhandlung Ebbeke lockte 75 Gäste
Warendorf. Das Wetter schreckte nicht, 75 Literaturfreunde saßen am Montagabend in der Buchhandlung Ebbeke, warteten gespannt auf den Reisebeginn in die Welt der Bücher. Zum 13. Mal veranstaltete Reinhard Hesse die „Top-Ten“. „Es ist eher ein Zufall, dass fünf der vorgestellten Romane von der Leipziger Buchmesse von einer Auswanderung handeln,“ erläuterte Hesse lächelnd.
Spannung, Abenteuer und unerwartete Ereignisse versprachen die Schmöker, darunter der Roman „Liebespaarungen“, der zwei mögliche Lebensoptionen von Irina aufzeigt: Das Leben als reißender Fluss oder ein ruhiger Bach?
Was in „Totenmesse“ zuerst aussieht wie ein Banküberfall mit Geiselnahme, entpuppt sich bald als Jagd nach einer wertvollen Formel. Auch in „Im kalten Licht des Frühlings“ ist nicht alles so wie es scheint. Haben ein Skelettfund und zwei Todesfälle mit dem Zwist zweier Familien zu tun?
Mit gezückten Kugelschreibern und Papier lauschten die Gäste aufmerksam, notierten eifrig ihre Favoriten. Später in der Pause nutzte das Publikum bei einem Glas Wein die Gelegenheit zu einem angeregten Austausch.
Von zwei Außenseitern erzählt
„No und ich“. Die hochbegabte Pariserin Lou trifft auf die obdachlose No. Allein der Name hat schon eine eigene Aussagekraft. „Das ist nicht mein Mann“, erklärte Mrs. Cook“, las Schauspieler Andreas Fiebig aus „Bis ans Ende der Meere“ gekonnt vor. 1776 startet Kapitän James Cook eine Weltumseglung, von der er nicht zurückkehrt. Marinemaler John Webber liefert ein Portrait bei der Witwe ab. Die genauen Todesumstände kann Webber ihr jedoch nicht erklären.
„Dieser Roman startet gleich mit einer Todesnachricht“, stellte Hesse danach
„Brautflug“
vor. Drei ältere Damen begeben sich zu Franks Beerdigung. Als junge Frauen wanderten sie von Holland nach Neuseeland aus. Auch Frank war an Bord, dann trennen sich ihre Wege. Für immer? „Am schwarzen Meer bin ich in den Zug gestiegen“, trug Fiebig danach einfühlsam aus
„Der Zug nach Triest“ vor. Mühelos nahm die 17-jährige Mona, Tochter eines Professors zur Zeit der Ceaucesco-Diktatur, Gestalt an. Verliebt erlebt sie einen leidenschaftlichen Sommer, doch als ihre Familie bedroht wird, werden Freunde zu Feinden.
Herrlich näselnd, das Publikum lachte laut, verwandelte sich Fiebig bei „Die Geschichte von Yuri Balodis und seinem Vater, der eigentlich Countrs-Star war“, gestenreich in Yuris Vater, der mit Frau Mara in den sechziger Jahren von Lettland nach Milwaukee flüchtet. Allabendlich erzählt der Vater wunderbar melancholische Lügengeschichten, in denen er der Star ist.
Weiter geht es mit „Ein freies Leben“, das von Nan Wu und seiner Frau Pingping erzählt. Aus einem Studienaufenthalt in den USA werden zwölf Jahre. Ein Ziel verfolgt der Chinese bis zur letzten Seite des Buches: ein englisches Gedicht zu schreiben. Das würde bedeuten, ich bin angekommen in der neuen Heimat.
„Um meine Frau nicht zu stören, lache ich nie laut, wenn ich abends im Bett lese“, verriet Hesse schmunzelnd bei der letzten Buchvorstellung, aus der Andreas Fiebig vorlas. „Die Beerdigung war ein Knaller“, lief Fiebig bei „Toskana für Arme“ zu absoluter Höchstform auf. „Luise hätte es auch so gesehen, wenn sie gekonnt hätte. Aber es war Luises Beerdigung.“ Gestik, Mimik, Intonation, das Publikum amüsierte sich köstlich über den Auswanderer Max, den Gino in das Wesen der Italiener einführt.
Ob Toskana, Neuseeland oder Milwaukee, mit einem Buch in der Hand, ist jeder Leser ein Auswanderer für einige Stunden.
Dagmar Kolb
Fotos Dagmar Kolb
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