30 Tage Wahnsinn
Weltweit größter Schreibwettbewerb
...mehr lesen
Lecker Schreiben!
„Magst du Bücher? Dann schreib' eins!“
...mehr lesen
Edgar Franzmann Millionenallee
Sabine Mense
Portrait
Fundstücke
Zwillingsneid
Bis zum nächsten Regen
Sternstunden mit James Dean
Sabine Gründken
Portrait
Cindy
Der Flussschwimmer
Nachtpost
Vergißmeinnicht
Dagmar Kolb
öööö
Omega. Alpha.
Ein Buch! Eine Tafel Schokolade wäre mir lieber gewesen. Die Nacht war lang und anstrengend. Ich hatte weder eine Pause machen können noch etwas gegessen.
Leise öffnete ich die Zimmertür. Der Wind spielte mit der Gardine am offenen Fenster. Vogelgezwitscher aus dem Park. Im Hof Laute des Martinhorns. Über seinem Bett brannte noch ein kleines Licht. Sein blasses Gesicht hatte die Farbe des Kopfkissens, auf dem noch ein Blutfleck war. Der Arzt hatte ihm die Augen geschlossen. Der Mund war durch die angelegte Wickel fest verschossen. Zuvor hatte ich ihm die Hände zusammen über die Bettdecke gelegt. Von den vielen Infusionen hatten sich Blutergüsse auf seinen Oberarmen gebildet. Ich trat an sein Bett, berührte die
Müde setzte ich mich auf den Stuhl, auf dem vor wenigen Minuten noch seine Frau gesessen hatte. Der Stuhl war noch warm. Ich nahm das Buch und blätterte es durch. Die Geschichte vom Flussschwimmer, auf dem Weg zum weiten Meer. Ich erinnerte mich, wie ich aus dem Buch vorgelesen hatte, wie das Schellen der Mitpatienten mich ständig unterbrach. Ich schaute in sein Gesicht. Keine Züge von Schmerz, keine Züge von Angst, keine Züge von Einsamkeit. Der dichte braun-graue Schnauzbart kennzeichnete seine Person. Wie oft wollten wir ihn stutzen. Doch er lehnte es ab, wenigsten etwas von ihm sollte noch wachsen.
Ich rieb mir die Augen. Müde flog mein Blick über die Sätze. Dabei hörte ich seine Stimme, wie sie damals zu mir sprach: „Trau dich! Mach es! Gehe den neuen Weg, freue dich aufs tiefe, weite Meer!“ Tief versunken, gefesselt von den Zeilen las ich weiter. Plötzlich fand ich mich in der Geschichte wieder. Nur dieses einzige Mal sollte mich weder das Telefon noch das Schellen stören.
Viele Wochen hatte er auf meiner Station gelegen. Viele Nächte hatte ich ihn betreut. Er war nicht mehr ein Patient unter hundert anderen Patienten. Während das Tageslicht den Raum erfüllte, spürte ich, wie das Leben den Raum verließ. Ich atmete tief durch, löschte das Licht und nahm meine Erinnerung an diesen Patienten, mit dem Buch mit.